Technick – der Geschichten Untergang

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Es war einmal, da hat man sich noch Geschichten erzählt. Man hat sich erzählt, von windigen Böen, von rauschenden Meeren, von glänzenden Sonnen, unendlichen Höhen. Voller Farben, voller Formen , vor ganzen Heerschaaren von Zuhörern.

Man hat sich erzählt, von übertriebenen Festen und dazu diese übertriebenen Gesten, von wunderhübschen Szenen, die in sich schon an göttliche Schönheit lehnen, von Frauen, die nicht geizen, mit ihren Reizen, die bereitwillig ihre Beine spreizen, von Nächten voller Sex und Suff, von Tagen an der frischen Luft, von Stunden inmitten vom Frühlingsduft.

Man hat sich erzählt, wie es war, wie es ist, wie es soll. Von der Liebe, vom Hass und vom Groll. Von den Gefühlen, die man hat oder auch nicht, von der Traurigkeit, die einem das Herz zerbricht.
Man hat sich erzählt, von Ferien am Meer, vom Gefühl, wie es ist im warmen Sand zu gehen, oder direkt am Ufer zu stehen. Von der frischen Luft und vom Duft der gefangenen Fische, oder der köstlich gedeckten Tische. Davon, wie es ist in den Wellen zu treiben, zu sehen, wie sich im Salz die Wunden heilen, die Wolken teilen, und am Himmel die Sterne scheinen.

Ach man, dacht ich mir dann immer, wenn ich solche Geschichten hörte. Man könnt sie beneiden, diese Leute. Und ich armer Schuft hock zu Hause rum und hab nichts davon…
Naja, gut dass es ja jetzt die Technik gibt. Denn endlich kann man nun teilhaben an all dem schönen und guten, kann man sie selber sehen, die rauschenden Fluten, oder wies ist, wenn die Wolken bluten (also beim Sonnenuntergang). Kann man sehen, ja sogar hören, fast fühlen, wie die Wellen an die Klippen klatschen und wie sie in fremden Ländern quatschen. Man kann sich eisige Schneeberge ansehen, oder hitzige Savannen, feuchte Waldgebiete, ja sogar das innere der Meere kann man sehen, ohne dass man selbst je da gewesen ist.

So haben sich natürlich die Ferien-Berichterstattungen grundlegend verändert. Das hört sich ja heute, im überspitzten Sinn, in etwa so an

Hey, wie wars denn in deinen Ferien in Salento..

>> Aaach, ganz schön, wart hier, ich zeig dir ein Foto.

Aber nein, ich will doch nur hören, wie es war.

>> Ah, ja klar hab ja noch ein Video von der einen Bar. Schau hin, so wars wie toll, nicht wahr.

Ja klar, das ist doch wunderbar. Doch, was hast du erlebt, was hast du gemacht, wie hast du gelebt, hast du oft gelacht?

>> Ach komm, red kein scheiss siehst ja hier, es war recht heiss und die Leute waren auch ein bisschen dreist. Bis auf die eine, die Kleine, die ich da kennengelernt habe, die war ganz wunderbar nett und vor allem  schön, schau her, das ist sie, direkt am Meer.

Ach schön, wie heisst sie denn, wo kommt sie her?

>> Ich weiss doch nicht, mein Kopf ist leer. So ist es halt, der Kamera-Speicher voll, im Hirn ein Spalt.

Da sind wir nun also, in einer Gesellschaft, in der das gesprochene Wort dem gezeigten Bild Platz macht, in der sich die Menschen lieber was zeigen oder anschweigen, statt das Erlebte ausführlich zu beschreiben. In der sich kaum mehr jemand die Mühe macht, eine Geschichte so richtig auszuschmücken, zu berichten, von Flüssen, Seen und Brücken. Zu beschreiben, zu übertreiben, sodass die Gedanken frei kreisen und eine ferne Fantasiewelt bereisen. Etwas so zu zitieren, dass die Zuhörer nach weiteren Geschichten gieren, danach lechzen, danach trachten und dich ganz zum Schluss mit offenem Mundwerk betrachten.

Da sind wir nun und sehen uns Bilder an, die man auch vom Internet herunterladen kann. Betrachten Videos, völlig wirr, verwackelt und gedankenlos. Und wir hören uns an, wo’s am schönsten war, wo’s am heissesten war, wer der coolste war, welches die schönste war, wo‘s das leckerste Essen gab und an welchem Strand man lag. Doch wo bleiben die Details, der weise Spruch vom alten Greis, oder wie es sich angefühlt hat, durch das farbenfrohe Blumenfeld zu spazieren und danach am Fluss ein paar Würste zu grillieren. Oder wie es gerochen hat, nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug oder beim Aufsteigen, auf den Berg, wo sich die Felsen schon fast zum Überhang neigen.

Ich glaub es liegt nicht an der Kreativität, oder an der Sprach-Flexibilität, oder dass sich jemand schämt, oder ihm irgendwas seine Zunge lähmt. Ich glaub es liegt daran, dass sich kaum mehr jemand an die Details erinnern kann. Nicht, wegen Demenz, oder gedanklicher Impotenz, nein… Aber, man müsst sich halt wieder auf das Geschehen konzentrieren, statt ständig nur mit der Kamera zu fokussieren. Zu zoomen, zu richten oder zu belichten, statt mal nur das Geschehen ins Hirn zu trichtern. Aber ja, so ist es nun halt. Der Kamera-Speicher voll, im Hirn ein Spalt.
Um dem Ganzen entgegenzuwirken habe ich nun natürlich eine eigene Geschichte vorbereitet. Auf meiner letzten Reise habe ich viel erlebt, viele Orte besucht und viele tolle Menschen getroffen. Ich war in Guatemala, Nicaragua, Panama und Kolumbien, habe Städte besucht wie Huehuetenango, Coban, Copan, Managua, Teguicigalpa Bogota und Salento…Ach, schau her…hier hab ich ein Foto.

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